Wird es in 25 Jahren noch Dramatiker geben?

Der „übergeordnete Autor“ wird gerne als „überflüssig“, den Probenprozess störend, anachronistisch oder Kassengift bezeichnet und weicht Romanbearbeitungen von Dramaturgen und Regisseuren, Projekten, Kollektiven, Experten des Alltags und Klassikern. Statt wie früher mit Gegenwartsdramatik spielt man jetzt die Häuser damit leer. Und verpasst die Gelegenheit, einen neuen Kanon von Repertoirestücken zu schaffen. Aber Autorenschaft ist etwas krisenunabhängiges, weil für den Schreibenden zum Überleben notwendiges. Das erste Interesse des (ohnehin chronisch unterbezahlten) Autors ist kein finanzielles, er ist in der Lage (und wird zunehmend bereit sein müssen), seinen Lebensunterhalt anders zu verdienen. Demnach wird es Dramatiker geben, auch wenn es schon längst keine Stadt- und Staatstheater, keine zahlenden Zuschauer (geschweige denn Abonnenten) oder Subventionen mehr gibt.

Ihr Lieblings-Klassikerzitat?

Ach laß mich gehen. Dein Stock kann machen, daß ich nicht mehr bin; Doch nicht, daß ich nicht Ich bin, weil ich bin.“ (Sosias in Heinrich von Kleists „Amphitryon“) …

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DREI FRAGEN (126 Zwischenrufe)
VON THOMAS JONIGK

Wird es in 25 Jahren noch Dramatiker geben?

Der „übergeordnete Autor“ wird gerne als „überflüssig“, den Probenprozess störend, anachronistisch oder Kassengift bezeichnet und weicht Romanbearbeitungen von Dramaturgen und Regisseuren, Projekten, Kollektiven, Experten des Alltags und Klassikern. Statt wie früher mit Gegenwartsdramatik spielt man jetzt die Häuser damit leer. Und verpasst die Gelegenheit, einen neuen Kanon von Repertoirestücken zu schaffen. Aber Autorenschaft ist etwas krisenunabhängiges, weil für den Schreibenden zum Überleben notwendiges. Das erste Interesse des (ohnehin chronisch unterbezahlten) Autors ist kein finanzielles, er ist in der Lage (und wird zunehmend bereit sein müssen), seinen Lebensunterhalt anders zu verdienen. Demnach wird es Dramatiker geben, auch wenn es schon längst keine Stadt- und Staatstheater, keine zahlenden Zuschauer (geschweige denn Abonnenten) oder Subventionen mehr gibt.

Ihr Lieblings-Klassikerzitat?

„Ach laß mich gehen. Dein Stock kann machen, daß ich nicht mehr bin; Doch nicht, daß ich nicht Ich bin, weil ich bin.“ (Sosias in Heinrich von Kleists „Amphitryon“)

Mit Walter Benjamin gefragt: Was ist die Aufgabe der Kritik?

  1. Immobilienmakler sind eine Instanz, um die es zunehmend kein Herumkommen mehr gibt, wenn man versucht, eine Wohnung zu mieten oder zu kaufen. Dabei ist ein Vertragsabschluss zwischen potentiellem Mieter und Hausbesitzer bzw. Hausverwaltung auch ohne diese parasitäre Zwischenschaltung problemlos möglich. Immobilienmakler erhalten zwei bis drei Monatskaltmieten pro Vertragsabschluss (und sind oft bestechlich), müssen dafür aber wenig können und tun dies (wie ich gerade in München mehrfach erleben durfte) mit Überzeugung, Herablassung, Dünkel, Neid (auf Mieter, die sich Wohnungen leisten können, die für sie selbst nicht in Frage kämen) und oft auch schlecht vorbereitet: Inhaltliche Fragen des ihnen zugewiesenen Objektes können nicht beantwortet werden, Namen von sich bewerbenden Mietern werden verwechselt und überhaupt wird der ganze Beruf missmutig, geschmäcklerisch bis gequält ausgeübt, weil man doch viel lieber Hausbesitzer als Makler wäre. Von Demut keine Spur, erstrecht nicht von Dankbarkeit gegenüber Besitzer bzw. Mieter, ohne die es die als Beruf bezeichnete Zumutung „Immobilienmakler“ nicht gäbe.
  2. Neulich weigerte sich mein Frisör, mir die Haare im Nacken auszurasieren, da er nur mit der Schere arbeite und den Einsatz von Maschinen nicht mit seinem künstlerischen Verständnis und kreativem Selbstausdruck vereinbaren könne.
  3. Punkt 1 und 2 dienen vorrangig dazu darzulegen, was die Aufgabe der Kritik sein könnte. Und dass diese zunehmend weniger wahrgenommen werden.

abgedruckt in: „Fünfzig Theatertreffen 1964-2013“
im Rahmen von „126 Zwischenrufe“.
Hg. von den Berliner Festspielen im Verlag Theater der Zeit,
April 2013.